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Vom Wesen des Teewassers

von Christian Goeden
email: Christian.Goeden@physik.tu-muenchen.de

Als bildungswütiger Student sollte man auch mal schauen, was in anderen Fächern so passiert. Eine sehr kurzweilige Alternative bietet sich bei den Juristen, deren Papiere schlagen jeden schlechten Film. Eine kurze Kostprobe zur seelischen Erbauung und meditativen Versenkung:

Der Bürgermeister der flächenmäßig größten Gemeinde Österreichs im Tiroler Ötztal hat im Zuge einer Getränkesteuerprüfung dem Pächter der Martin-Busch-Hütte in 2501m Seehöhe für die Abgabe von Teewasser an Hüttengäste Getränkesteuer in Höhe von öS 7.000,- bescheidmäßig vorgeschrieben. Der Bescheid stützt sich auf § 1 Abs 2 lit a Tiroler Getränkesteuergesetz, der wie folgt lautet:

,,Getränke im Sinne dieser Vorschrift sind: a. Flüssigkeiten, die üblicherweise zum Trinken verwendet werden, mit Ausnahme von Milch ohne Zusätze.``

In der gegen den Getränkesteuerbescheid erhobenen Berufung wird ausgeführt, daß bloßes Heißwasser nicht als Getränk im Sinne des Gesetzes anzusehen sei.

Der Bürgermeister wies in der Berufungsvorentscheidung die Berufung als unbegründet ab und führte dazu folgendes auf: Bei der Gesetzesbestimmung ,,Flüssigkeiten, die üblicherweise zum Trinken verwendet werden`` handele es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. Die Flüssigkeit ,,Heißwasser`` gelange bereits gebrauchsfertig an den Letztverbraucher und könne von diesem ohne weitere Behandlung verwendet werden. Die Flüssigkeit sei daher im Zustand ihrer Abgabe ,,zum Trinken`` geeignet

Es handle sich demnach nach der Verkehrsauffassung um ein Getränk im Sinne des Gesetzes. Die Beschwerdeführer stellten den Antrag, die Berufung der Abgabenbehörden 2. Instanz vorzulegen.

Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstands wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Begründung der Berufungsvorentscheidung wurde im wesentlichen übernommen, aber ergänzend hierzu folgendes aufgeführt:

Es werde in der Regel zwar zu empfehlen sein, eine Abkühlung des Heißwassers abzuwarten, eine weitere Behandlung sei jedoch nicht erforderlich. Das Wasser sei somit im Zustand seiner Abgabe gebrauchsfertig und ,,zum Trinken`` geeignet.

Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und im wesentlichen darauf hingewiesen, daß es sich bei Heißwasser lediglich um eine Flüssigkeit handle, die zum Zubereiten von Getränken verwendet werde und als solche daher nicht unter die im Tiroler Getränkesteuergesetz genannten Flüssigkeiten falle.

Die Tiroler Landesregierung beruft sich in ihrer Gegenschrift ausdrücklich auf die Lebenserfahrung, wonach Heißwasser ein sehr wirkungsvoller Durstlöscher sei und von weiten Kreisen üblicherweise zum Trinken verwendet werde.

Damit wird von den belangten Behörden die Offenkundigkeit des Lebenssachverhaltes ins Treffen geführt und auf § 130 Abs 2 Tiroler Landesabgabenverordnung verwiesen, wonach Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, keines Beweises bedürfen.

Die Bindung des Verwaltungsgerichtshofes an den von der Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt finde aber - so der VwGH - dort seine Grenze, wo sich die Darstellung des Sachverhaltes durch die Behörde mit jener Sicht der Tatsachen in keiner Weise zu decken vermag, wie sie sich nach der dem VsGH zugänglichen Lebenserfahrung darstellt.

Zu dieser Lebenserfahrung wird nun in Erkenntnis des Senats folgendes ausgeführt: Dem erkennenden Senat ist die Gebräuchlichkeit des ,,Teewassers`` auf Alpenvereinshütten durchaus geläufig. Für eine Gewohnheit des bloßen Heißwassergenusses fand sich allerdings in langjährigen Beobachtungen einzelner Senatsmitglieder über Trinkgewohnheiten auf Hochgebirgshütten, insbesondere auch in Tirol, kein Anhaltspunkt. Eine solche ist selbst aus der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht erinnerlich.

Auch in der Alpin-, Brauchtums- und Kochliteratur war ein überzeugender Hinweis auf die Üblichkeit dieses Genusses nicht zu finden. Es ist den Mitgiedern des Senats auch kein lokaler Brauch des Heißwassertrinkens bekannt geworden, durch den etwa eine besondere Naturverbundenheit zum Ausdruck gebracht würde, deren Pflege sich sowohl die Einheimischen als auch die Touristen in so nennenswerter Zahl verschrieben hätten, daß gesagt werden könnte, das heiße Wasser würde üblicherweise zum Trinken verwendet werden.

Sollte sich also auch das eine oder andere Mal ein Hochgebirgstourist dem Genuß unveränderten Tiroler Heißwassers hingeben, so ließe dies noch keineswegs einen Schluß auf eine übliche Trinkgewohnheit zu.

Bei reinem Heißwasser, das den Hüttengästen zur Zubereitung von Getränken (Tee oder Limonade) verkauft wird, handelt es sich somit nicht schon um ein ,,Getränk`` im Sinne des § 1 Abs 2 lit a Tiroler Getränkesteuergesetz, sondern nur um einen flüssigen Grundstoff, der erst die Herstellung eines Getränkes im rechtlichen Sinn ermöglicht. Für einen solchen Grundstoff besteht jedoch nach dem Tiroler Getränkesteuergesetz keine Getränkesteuerpflicht.

Der VsGH hat daher den bekämpften Gemeindeabgabenbescheid als rechtswidrig aufgehoben.

aus: Wirtschafts- und Steuerrecht für die Praxis

Nachwort

tex2html_wrap_inline736 Auch scheint mir die Intelligenz nicht diejenige Eigenschaft zu sein, die die Leute von Ti-long an allererster Stelle auszeichnet tex2html_wrap_inline736
(Herbert Rosendorfer: Briefe in die Chinesische Vergangenheit; DTV, München tex2html_wrap_inline740, S. 236)

 


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