Wer erinnert sich nicht an den parentalen Stoßseufzer »Ich bins Leid!« aus der kindlichen Phase, wenn die Mami mal wieder kurz davor ist, vor der schieren Unmöglichkeit der rationalen Erziehung zu verzweifeln. Schöner ist da schon der Ausspruch von Schopenhauer, der mit seiner etwas pessimistischen Grundhaltung »Alles Leben ist Leiden« nicht gerade alt an den Folgen eines Lungenschlags verschied. Als er sein Werk die »Welt als Vorstellung« schrieb, meinte er offensichtlich kein Theaterstück. Aber bekannthin ist das Leben selbst ein Theater, womit wir wieder am Anfang wären.
Wer noch nicht auf das Lei[d|t]thema dieses Impulsivs gekommen ist, den kann ich von seinem/ihrem Leid erlösen: die Qual der Wahl. Gehen wir mal von der Willensfreiheit in einem nicht-deterministischen Universum aus, so ist die BHG-Wahl tatsächlich eine der wenigen Momente, wo das Individuum als pars pro toto aktiv die Zukunft beeinflussen kann. Dazu muss man/frau le(i)diglich am 4. oder 5. Juli ins Wahllokal (das klingt doch gar nicht so schlecht, oder?) springen und im Gegenzug seine Gummibärchen abholen. Dazu sind wir sicher alle qualifiziert.
Ich hoffe, ich gelte jetzt nicht als Greenpeace-Aktivist, wenn ich nochmal proklamiere: Rettet die Wahl(e)! Gut für deine Umwelt ist das allemal. Nebenbei gilt Thomas von Aquin als der erste Umweltschützer.
Die Bösen kommen in die Hölle. Das war ja klar. Was die wenigsten wissen: die nicht zur Wahl gehen auch. Etwas anders dagegen sieht es Jean Paul Sartre, der in seiner »Geschlossene Gesellschaft« meint: L'enfer, c'est les autres. (Die Hölle, das sind die anderen). Das schließt uns ja glücklicherweise aus.
Jetzt haben wir's euch oft genug mit dem Faust auf's Auge gedrückt: »Hat er dich nicht so geschaffen, daß du über den Teufel wie über die Tiere der Erde erhaben stundest? Dir verlieh er den unterscheidenden Sinn des Guten und Bösen: frei war dein Wille, frei deine Wahl.«, spricht Mephisto recht treffend.
»Ich bins Leid!«, höre ich nun auch euch sagen. Wichtig ist dabei die Interpunktion, aber nach der neuen Rechtschreibung (die wir ab dieser Ausgabe verwenden wollen) darf man ja auch sagen: »Ich bins, Leid!«. Grüß dich, setz dich, nimm dir nen Keks ... äh, Tee oder Kaffee?