FS: Herr Spohn, Sie sind als Dekan nominiert.
Könnten Sie sich und ihr Arbeitsgebiet kurz vorstellen?
Herr Spohn: Ich habe hier an der LMU Physik studiert und war nach
der Promotion für fünf Jahre in den USA an verschiedenen
Universitäten, unter anderem Princeton und Rutgers University, und in
Frankreich. 1982 bin ich wieder zurück an die LMU als Professor in der
Physik. Dort war ich dann 15,5 Jahre und bin jetzt seit 1998 an der TU.
Offiziell vertrete ich das Arbeitsgebiet Angewandte
Wahrscheinlichkeitstheorie. Meine eigenen Interessen gehen in Richtung
mathematische Physik, aber sehr stark dominiert von Fragen der
statistischen Mechanik. Da kommt dann ganz automatisch auch die angewandte
Wahrscheinlichkeitstheorie mit 'rein.
FS: Wenn Sie als Dekan gewählt werden, vertreten Sie
ja die ganze Fakultät und damit auch deren Studierenden. Wie stellen
Sie sich eine Zusammenarbeit mit den Studierenden allgemein und mit der
Fachschaft und den FBRs im Speziellen vor?
Herr Spohn: Das ist ein bißchen schwierig, weil ich bisher da
noch wenig Erfahrung habe. Zunächst würde ich mal denken,
daßman die Zusammenarbeit im Rahmen des Fachbereichsrats
bewerkstelligt, so wie das auch vorgesehen ist. Da haben Sie ja auch ihre
Vertreter. Es können natürlich immer wieder Sachen passieren, die
man dann etwas weniger offiziell durchziehen will. Da müssten mich die
Studenten direkt ansprechen, um das gemeinsam auf den Weg zu bringen.
FS: Könnten Sie es sich auch vorstellen, eine
Dekanssprechstunde speziell für Studierende zu machen?
Herr Spohn: Die Frage ist, ob das sehr effektiv ist. Als Dekan
vertritt man einen großen Personenkreis. Wahrscheinlich ist es dann
sinnvoller, wenn die Anliegen der Studenten von der Fachschaft
gebündelt vorgebracht werden. Zu kleine Aktionen sind wahrscheinlich
nicht sehr effektiv.
FS: Der Umzug nach Garching steht ja bevor. Welche Ziele
würden Sie für Garching gerne erreichen?
Herr Spohn: Bei Garching sind vor allem zwei Sachen zu beachten.
Die erste Sache ist, daß der Umzug nach Garching schlichtweg
notwendig ist. Irgendwann ist die Entscheidung getroffen worden, die
Naturwissenschschaften in Garching zu sammeln. Da kann die Mathematik nicht
hier im Zentrum bleiben. Über den Zeitpunkt kann man sich ein wenig
streiten. Durch die Umbaumaßnahmen und die Asbestsanierung hat sich
der jetzige Zeitpunkt aufgedrängt.
Der andere Aspekt ist, wie der Neubau in Garching dann wirklich
durchgeführt wird. Da gibt aus meiner jetzigen Sicht vermutlich ein
sehr großes Defizit: Die Belange der Studierenden und der Leute, die
da draußen arbeiten, kommen zu kurz.
FS: Was meinen Sie dabei mit Belange?
Herr Spohn: Es hat niemand wirklich daran gedacht, daß das
Umfeld in Garching ganz anders ist als hier. Es sollte ausreichende
Arbeitsmöglichkeiten für die Studenten in Garching geben. Es gib
zwar hier in der Innenstadt auch nicht so viele, aber das entspannt sich
dadurch, daß die Wege einfach viel kürzer sind. Man hat mit den
vielen Räumlichkeiten, die es hier in der Innenstadt gibt,
natürlich viel mehr Ausweichmöglichkeiten. In Garching wird das
vermutlich nicht so sein.
Ein weiterer Punkt ist die gute Anbindung an die Stadt. Aber auch das
scheint wieder etwas eingeschlafen zu sein. Da gab es mal den
Bürgerentscheid in Garching, bei dem man dachte, daß die U-Bahn
jetzt gebaut wird, aber die Sache scheint weiter vor sich hin zu
schlummern.
Eine weitere Sache ist: Warum werden in Garching keine Studentenheime
gebaut, warum ist die einzige Versorgung mit Essen dort die Mensa, warum
gibt es keine privaten Betreiber, die dort auch mal ein Cafe oder so etwas
aufbauen können? Das sind Sachen, die wir hier in der Innenstadt
für völlig trivial und offensichtlich halten, die einfach da sind
und die keiner zusätzlichen Anstrengung von Seiten der
Universität bedürfen. In Garching ist das alles schlichtweg nicht
vorhanden. Ich finde es schade, daß man mit dem Neubau, der ja
schließlich die vierte und fünfte Fakultät in Garching
ansiedelt, immer noch kein Konzept hat, so etwas zu machen.
FS: Glauben Sie, daß Sie dann als Dekan eine
Möglichkeit hätten, da etwas zu machen?
Herr Spohn: Ich war in der Vergangenheit in diese Sachen nicht
eingebunden. Aber die Mathematik hat immer wieder auf meine Punkte
hingewiesen. Soweit ich es mitbekommen habe, wird dies aber, von welcher
Seite auch immer, abgeblockt.
FS: Gibt es denn irgendwelche Sachen, bei denen Sie, wenn
Sie als Dekan gewählt werden, sagen würden: "`Das
möchte ich für Garching erreichen!"'?
Herr Spohn: Da bin ich sehr realistisch. In dem von der
Universität und dem Staat vorgegebenen Rahmen kann man natürlich
versuchen, etwas zu optimieren. Das muß man von Fall zu Fall sehen.
Aber an dem globalen Konzept, so wie es jetzt steht, etwas zu ändern,
da haben die Dekane zu wenig Einfluss.
FS: Wir ziehen ja erst in 2 Jahren nach Garching und sind
davor noch eine Zeit lang in der Innenstadt. Gibt es hier noch Sachen, die
sie gerne verändern würden?
Herr Spohn: Naja, das wird gelähmt, weil jetzt alles nach
Garching starrt. Aus meiner persönlichen Erfahrung würde ich
denken, daß z.B. die Tafeln besser sein könnten. Auch die
Vorlesungsräume sind zum Teil in einem Zustand, der
renovierbedürftig ist. Aber es macht natürlich keinen Sinn, jetzt
zwei Jahre vor dem Umzug da noch Geld reinzustecken.
FS: Welchen Stellenwert würden Sie Ihrer Forschung
während Ihrer Amtszeit als Dekan noch geben?
Herr Spohn: Das ist ein etwas schwieriges Kapitel. Für mich
hatte und hat die Forschung immer einen extrem hohen Stellenwert. In dieser
Zeit müsste ich dann wohl etwas kürzer treten. Wie es dann in der
Praxis aussieht, bleibt abzuwarten.
FS: Im Moment sind Sie ja Vorsitzender des
Prüfungsausschusses. Wie könnten Sie sich vorstellen, daß
das weitergeht? Würden Sie immer noch Vorsitzender
bleiben?
Herr Spohn: Sicherlich nicht. Im Detail haben wir da noch nicht
darüber gesprochen. Aber ich bin ja nicht der einzige im
Prüfungsausschuss. Wenn die Dekanswahl entschieden ist, müsste
man ggf. überlegen, wer den Vorsitz übernimmt. Daß ich
beides gleichzeitig mache, das scheidet für mich aus.
FS: Wir haben ja auch die relativ neuen Studiengänge
Bachelor und Master. Was halten Sie von diesen
Studiengängen?
Herr Spohn: Sie sind ja wirklich noch sehr neu und von politischer
Seite stark gewünscht gewesen. Ich denke, ein Manko unserer
Studiengänge ist, daß sie sehr lange dauern. Nach dem ersten
Jahr gehen zwar einige weg, aber die, die bleiben, gehen doch eine
Verpflichtung von fast sechs Jahren ein, wenn wir mal realistisch sind. Das
ist schon eine relativ lange Zeit. Man kann zwar nach dem Vordiplom
aufhören, aber das ist ein uniinterner Abschluss, der keinen
offiziellen Charakter hat. Man muß also wirklich sein Diplom machen,
weil das der erste nach außen gültige Abschluss ist. Sechs Jahre
sind eine lange Zeit. Wenn man aber jetzt die Möglichkeit hat, nach
drei oder vier Jahren zu sagen, jetzt ist man fertig, dann würde ich
denken, das ist berechtigt. Ob der Bachelor genau diese Funktion haben
wird, da bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht ist es aber auch einfach
zu früh. Man sollte vielleicht noch etwas warten, wie die Akzeptanz
von diesem Abschluss ist.
Natürlich sind da immer zwei Sachen. Zum einen: Was zählt der
Abschluss nach außen hin? Das können wir von der
Universität relativ wenig beeinflussen. Die andere Frage ist: Ist das
eine einigermaßen in sich abgeschlossene Einheit? Das Diplom ist
über viele Jahre gewachsen und hat durch die lange Tradition insgesamt
einen in sich schlüssigen Rahmen. Bei dem Bachelor und Master habe ich
den Eindruck, daß man vom Diplom einfach die letzten zwei Jahre
wegschneidet. Ich habe auch kein Patentrezept, das anders zu machen, aber
so passiert es de facto im Moment. Ob das dann eine in sich geschlossene
Studieneinheit ist, das muß die Praxis zeigen.
Auf der anderen Seite, man lernt nie aus, und wo dann im Studium die
Zäsur gesetzt wird, hat auch eine gewisse Beliebigkeit. Ich würde
denken, jetzt haben wir das eingeführt und müssen erst mal
schauen, wie solche Studiengänge akzeptiert werden und sich
entwickeln. Ich würde aber schon denken, daß man sich dann nach
vier Jahren wieder zusammensetzt und alles noch mal überdenkt.
FS: Was halten Sie von der Durchlässigkeit von
Diplom zu Bachelor?
Herr Spohn: Da haben wir bisher sehr wenige Fälle gehabt.
FS: Aber die werden wohl bald mehr werden.
Herr Spohn: Wir haben das jetzt, glaube ich, so festgezurrt,
daß, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, man mit dem
Vordiplom Mathematik ohne zusätzliche Prüfungen sofort beim
Bachelor weitermachen kann.
FS: Die Durchlässigkeit ist also
gegeben?
Herr Spohn: Wir denken, das ist ein absolutes Muß. Die Gefahr
ist ohnehin, daß wir uns zu stark zerfächern. Das macht in der
Sache gar keinen Sinn. Es ist immer die gleiche Mathematik. Warum soll dies
in fünfzig Unterdisziplinen aufgeteilt werden? Bis zum Vordiplom haben
wir schon drei Studiengänge. Auch da müssen wir darauf achten,
daß wir guten Gewissens sagen können, derjenige, der
Finanzmathematik macht, darf automatisch auch Mathematik weiterstudieren.
Wenn wir dort schon ein kompliziertes Hürdensystem einführen, ist
das schlecht. Wir müssen sagen, jetzt vergessen wir die Details;die
Leistung ist erbracht und man dann darf sozusagen nach Wahl
weiterstudieren. Ich halte überhaupt nichts davon, daß es dann
noch fünfzig Zusatzbedingungen gibt. Diese Schwierigkeit haben wir
schon, wenn Leute von außerhalb der TU kommen. Was erkennen wir an?
Man muß natürlich auch schauen, daß das gerecht geregelt
ist, aber ich denke, die Tendenz sollte eher dahin gehen, daß das
Vordiplom ein Schnitt ist, evtl. noch mit einer Zusatzbedingung, aber nicht
mit einem zu mikroskopischen Regelwerk.
FS: Wir sind seit einem Jahr eine Reformfakultät.
Wie stehen Sie dazu?
Herr Spohn: Das war sicher ein Glücksfall. Herr Gritzmann will
das Projekt die nächsten vier Jahre weiterführen.
Grundsätzlich ist es ein enormer Gewinn, ganz ohne Frage. Ich denke,
daß es auch im Rahmen der Fakultät Kräfte freigesetzt hat
und neue Möglichkeiten eröffnet hat, die vorher einfach nicht da
waren. Insgesamt ist es auch unter den verschiedensten Aspekten für
die Studierenden bestimmt positiv.
FS: Sind auch Reformen dabei, die Sie persönlich
gerne weiter forcieren würden?
Herr Spohn: Ich bin selbst federführend, für das Projekt
der Begutachtung der Fakultät. Das werde ich vermutlich in irgendeiner
Form weiterführen. Bei den anderen Projekten war ich mit beteiligt,
aber nicht federführend. Bei der Begutachtung geht es darum, daß
wir uns selbst sinnvoll einschätzen, auch Möglichkeiten
aufzeigen, wie es in der Zukunft weitergehen soll. Das ist das Hauptziel.
Wenn wir da von außen kompetenten Rat bekommen, kann das mit
Sicherheit kein Schaden sein.
FS: Gibt es auch Projekte, bei denen Sie sich, wenn Sie als Dekan gewählt werden, verstärkt einbringen möchten? Herr Spohn: Nun gut, als Dekan bin ich vermutlich sowieso in vielen Projekten beteiligt. Verstärkt würde ich im Moment nicht sagen. Aber das ist auch etwas, was sich dann erst zeigen muß.
FS: Abschließend noch eine Frage: Warum sind Sie
besonders für das Amt des Dekans geeignet?
Herr Spohn: Na gut, das setzt voraus, daß ich mich für
besonders geeignet halte.
FS: Zumindest haben Sie sich aufstellen
lassen.
Herr Spohn: Richtig. Ich denke, es ist wichtig, daß die
Fakultät durch einen Dekan vertreten wird, der sich um die ganzen
Sachen kümmert. Das muß auf einer etwas höheren Ebene sein,
sonst funktioniert das im inneruniversitären Rahmen nicht so gut. Dann
schaut man sich um und stellt fest, daß die Zahl der Personen, die
dafür in Frage kommen, eher klein ist. Die ältere Generation hat
ihren großen Beitrag schon geleistet, d.h. es kommen die Leute dran,
die in den letzten drei, vier Jahren berufen worden sind. Dann gibt es
unterschiedliche Schwerpunkte und Interessenslagen. Bei diesen
Randbedingungen bleiben nicht sehr viele Personen übrig. Im
wesentlichen ist es ein Akt der Verantwortung gegenüber der
Fakultät, daß ich mich bereiterklärt habe, zu
kandidieren.
FS: Sehen Sie es dann eher als ein 'Muß'
denn als eine freiwillige Aktion?
Herr Spohn: Nein, ich würde sagen, eine Kombination.
Einerseits sehe ich es als Pflichterfüllung, andererseits als eine
Möglichkeit, auf diese Weise den Dampfer so etwas zu lenken.
FS: Herr Spohn, wir bedanken uns für dieses Gespräch.